Das neue Affinity: die Nutzungsbedingungen unter der Lupe
Affinity ist eine Familie von Grafik- und Layout-Software, die in der Indie-Kreativszene recht weit verbreitet ist. In der Vergangenheit hauptsächlich, weil die Software einen einmaligen Kauf erforderte anstatt eines Abos wie beim Konkurrenten Adobe. Vor einer Weile wurde der Hersteller von Affinity aufgekauft, und zwar durch das Unternehmen hinter dem Web-Tool Canva, das auch viele in der Indie-Kreativszene nutzen. Ende Oktober kam dann der große Paukenschlag: Affinity gibt’s ab sofort gratis, wenn man einen (grundsätzlich kostenlosen) Canva-Account hat. Viele Menschen in meinen Social Media-Kanälen sahen das skeptisch, vermuteten Datenverwertung für KI-Training im großen Stil.
Ich mache beruflich zufällig was mit Datenschutz und habe mich deshalb einmal durch die ganzen Terms und Policies von Canva bzw. Affinity gewühlt, damit ihr es nicht tun müsst. Hier gibt es die wichtigsten Inhalte für euch aufbereitet, mit Fokus auf die EU-Gesetzgebung (insbesondere die DSGVO). Liebe schweizer Kreative, ihr müsst also vielleicht nochmal selbst nachschauen. Ich berichte außerdem nur vom Ist-Zustand und mache keinen Vergleich zu „früher“, denn „früher“ ist jetzt eh Geschichte. Obligatorischer Disclaimer: ich bin kein Anwalt, dies ist keine Rechtsberatung.
TL;DR: Eure Verhaltensdaten im Umgang mit Affinity werden für KI-Training genutzt, eure kreativen Werke auch – ihr könnt diesen Teil in eurem Account aber manuell deaktivieren. Allerdings werden die Werke weiterhin mit KI analysiert, um zu prüfen, ob ihr „unerwünschte“ Dinge mit der Software erstellt. Dazu gehören auch erotische und sexuelle Werke.
Die Vertragsbedingungen
Zunächst habe ich mir die Vertragsbedingungen für einen Canva-Account angeschaut (Links gehen jeweils zu den englischen Texten, denn einzig diese sind rechtlich bindend). Hier die Highlights:
- Mindestalter für die Nutzung ist 7 Jahre (mit Einwilligung der Erziehungsberechtigten) in Deutschland, denn ab diesem Alter ist man beschränkt geschäftsfähig. Für education-Lizenzen gibt es Ausnahmen, aber diese Lizenzen werde ich hier nicht weiter betrachten – der Artikel ist auch so schon lang genug.
- Mit der Nutzung räumt man Canva das Recht ein (genauer, eine gebührenfreie und sublizenzierbare Lizenz), die erstellten Inhalte anzuzeigen, bereitzustellen, zu kopieren (z.B. im Rahmen von Backups) und für die Bereitstellung des Dienstes zu nutzen. Außerdem werden die Inhalte genutzt, um die Nutzungsbedingungen und die „Acceptable Use Policy“ durchzusetzen, sollte etwas gegen die Regeln verstoßen. Dazu später mehr.
- In den Privacy Settings des Accounts kann man ein bisschen dran drehen, in wieweit die Inhalte und auch die Nutzungsdaten (wie Klicks, wildes Scrollen, eingegebene Suchbegriffe) verwendet werden, um KI-Systeme zu trainieren. Auch dazu später noch mehr.
- Die Gebühren für den Dienst können sich ändern, also entweder die Preise für Pro-Abos, oder auch dass kostenlose Nutzung irgendwann Geschichte sein wird. Jede Änderung an den Gebühren wird von Canva mit einer mindesten Vorlaufzeit von 30 Tagen kommuniziert.
- Standardmäßig ist im Konto aktiviert, dass Camva Werbung per Mail und Telefon schicken darf, aber das lässt sich konfigurieren.
Bei der Nutzung von Affinity kommt auf diese Nutzungsbedingungen noch eine weitere dazu, die „Affinity Terms“. Hier steht klar und deutlich drin, dass die Nutzenden volle Kontrolle über die mit Affinity erstellten Inhalte haben („You and your Users may use and develop your own content when using the Affinity Software (User Content or Customer Material, as defined in the applicable Agreement), such as images, and files, which you have full control and responsibility over.“) – solange die Acceptable Use Policy eingehalten wird.
Die Datenschutzbestimmungen
Hier steht drin, was für (personenbezogene) Daten Canva zu welchen Zwecken verarbeitet. Darin hat man mit der Account-Erstellung eingewilligt und man kommt im Prinzip nur wieder raus, in dem man den Account komplett kündigt. Ich werde in diesem Abschnitt ziemlich oft das Wort „verarbeiten“ verwenden. Das fasst alles zusammen, was man mit Daten so machen kann (erstellen, kopieren, teilen, bearbeiten, löschen, etc.). Ist so Datenschutz-Sprech. Sorry.
Werfen wir einen Blick:
- Es wird alles verarbeitet, was man selbst in die Produkte eingibt (Texte, Dateinamen, hochgeladene bzw. eingefügtes artwork), damit der Kram so funktioniert wie er soll. Logisch.
- Wenn man andere Accounts mit dem Canva-Account verknüpft, werden auch Daten mit den Anbietern dieser anderen Accounts getauscht und verarbeitet. Ergibt auch Sinn und das Verknüpfen ist soweit ich weiß komplett optional.
- Es passiert sogenannte Profilbildung über externe Data Broker und Cookies, um Werbung und Features zu personalisieren. Das ist zwar gruselig, dass Canva sich eine dicke Akte über die Nutzenden anlegt, aber das ist leider Branchenstandard bei online-Plattformen. Diese Geschichte lässt sich in den Privatsphäre-Einstellungen einschränken.
- Es werden Analytik- und Verhaltensdaten (was klicke ich an und in welcher Reihenfolge, welche Werkzeuge nutze ich auf welche Weise, etc.) gesammelt und in KI-Systeme gefüttert, um die Nutzbarkeit der Services zu verbessern. Es geht hier meiner Ansicht nach nicht um Text- oder Bildgenerierende KI, sondern um Datenauswertung um die Tools zugänglicher zu machen. Achtung: Solche Analytik-Daten werden auch über Dritte gesammelt und auch mit versteckten Elementen in Newsletter-Mails o.ä. Diese Datennutzung lässt sich über Canva-Einstellungen nicht einschränken. Der Anbieter empfiehlt in den Datenschutzbestimmungen, persönliche technische Maßnahmen zu treffen, wenn man das nicht möchte. Hierzu zählen beispielsweise „do not track“-Einstellungen im Browser (die leider viele Dienste mittlerweile auch ignorieren) oder Browser-Add-ons wie der Privacy Badger.
- Logdateien des Browsers werden zu technischen Zwecken auch verarbeitet. Das ist im Prinzip bei jeder Website so.
- Der Standort wird ermittelt und verarbeitet, entweder basierend auf der IP-Adresse oder anhand von Brokern bereitgestellten Daten.
- In den aufgelisteten Verarbeitungszwecken findet sich etwas Pikantes: Datennutzung „to train our algorithms, models and AI products and services using machine learning to develop, improve and provide our Service“. Im Folgenden werden Bilderkennung und -Segmentierung (Erkennung einzelner Bildbestandteile), Audiotranskription, Vorhersage von Suchbegriffen und gezielte Analyse für Abo-Empfehlungen, Vorschläge im System (z.B. Templates), Marktforschung und Werbung genannt. Und um die Acceptable Use Policy durchzusetzen. Ich kann mir hier gut vorstellen, dass in den Tools erstellte Dateien mit Hilfe von KI auf Konformität mit der Acceptable Use Policy geprüft werden. Und was Canva sonst noch für „improvements“ im Ärmel hat, weiß wohl nur das Unternehmen selbst. In den Account-Einstellungen kann man einen Teil davon deaktivieren.
- Und falls Canva verkauft werden sollte (oder einfach nur die Affinity-Produkte), gehören die gesammelten Daten auch zum Paket dazu.
Die DSGVO ist übrigens ein ganz cooles Gesetz, wie ich finde, weil sie uns als „Betroffenen“ von Datenverarbeitung einige starke Werkzeuge in die Hand legt. Nach Artikel 15 muss ein Datenverarbeiter offen legen, welche Daten er von der anfragenden Person hat und in welchem Kontext die verarbeitet werden. Für die Antwort gibt’s eine Frist von einem Monat beziehungsweise drei, wenn der Anbieter zugibt, dass er es nicht schneller schaffen kann. Wer sich also für die Geschichte mit dem KI-Training interessiert, könnte sowas wie
„in accordance with article 15 GDPR, I hereby request information on the use of my personal data through Affinity products, including the art and other files I created with Affinity products, for the purpose of machine learning and AI product training“
an privacy@canva.com schicken und sich auf eine Antwort freuen – diese muss übrigens allgemeinverständlich formuliert und aufbereitet sein.
Wenn ihr beispielsweise euren Namen geändert habt und Canva das nicht anpassen will, könnt ihr nach Artikel 16 eine Berichtigung eurer Daten erzwingen.
Und wenn ihr beispielsweise durch die Artikel-15-Auskunft Daten entdeckt habt, die ihr gelöscht haben wollt, geht das über denselben Kanal und mit Hilfe von Artikel 17. Aber Achtung, meist argumentieren die Diensteanbieter, dass sie ohne diese Daten nicht vernünftig arbeiten können und stellen daher nur die Option der Komplettlöschung des Accounts.
Und wenn es Ärger mit einer dieser Artikel-Geschichten gibt, könnt ihr das bei der Landesdatenschutzbehörde eures Bundeslands melden und von dort dann Unterstützung erhalten. Danke, DSGVO!
In einem Addendum zu den Datenschutzbestimmungen findet sich auch eine aktuelle Liste der Unternehmen, die im Auftrag von Canva peterszonenbezogene Daten verarbeiten. In der Kategorie „AI Services“ finden sich hier
- Amazon, vermutlich als Infrastruktur-Bereitsteller
- Black Forest Labs, ein deutsches Start-Up, das eine bildgenerierende KI entwickelt. Laut dem Online-Magazin „Ars Technica“ könnten die Trainingsdaten für dieses Modell unrechtmäßig aus dem Internet gezogen worden sein.
- Google, vermutlich für Analytik
- OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT
- DeepL, für Übersetzungen (übrigens auch ein deutsches Unternehmen)
- Canva Austria, für Video-KI
- Leonardo AI, ebenfalls KI-Bildgenerierung
Die Acceptable Use Policy
Hier ist er nun, der Elefant im Raum. Diese Policy regelt, was Canva nicht auf seiner Plattform und damit auch in Affinity haben möchte. Hier schwenkt der Fokus von Datenschutz Richtung Urheberrecht beziehungsweise Kunstfreiheit, und davon habe ich leider kaum Ahnung. Nehmt meine Kommentare deshalb bitte mit Vorsicht.
Neben offensichtlich illegalen Dingen und der Verbreitung von Malware hier meine Highlights:
- Keine Erstellung diskriminierender Inhalte. Ich vermute, dass eine (künstlerische) Aufarbeitung von Diskriminierung hiervon unberührt bleibt.
- Kein Anstiftung zur Gewalt („incite or promote violence“). Ich habe nicht genug Expertise im Bereich Kunstfreiheit um beurteilen zu können, ob „eat the rich“ schon dazugehört.
- Keine zur Gewalt anstiftenden Darstellungen („promote, encourage or create risk“) gegen Menschen oder Tiere. Könnte für manche Rollenspiel-Inhalte spannend werden.
- Keine sexuell expliziten oder pornografischen Inhalte. Hier liegt meiner Ansicht nach ein Dealbreaker für freischaffende Künstler*innen. Denn viele, die ich kenne, haben einen auskömmlichen Nebenverdienst mit erotischer Kunst (nicht nur die Furries, auch die Webcomic-Community scheint durchaus bereit sein, für solche Inhalte zu zahlen).
- Keine Desinformation. Das könnte eine knifflige Sache sein, wenn es um KI-gestützte Inhaltsfilter geht. Je nachdem, wie scharf Canva bei diesem Thema die automatische Filterung stellt, kann ich mir vorstellen, dass nervige Anfechtungen solcher Entscheidungen der eigenen Arbeit ein Bein stellen können.
Ich hoffe, dies bringt euch ein bisschen weiter, wenn es darum geht zu entscheiden, ob ihr das neue Affinity für eure Projekte nutzen wollt. Sollten noch Fragen offen geblieben sein, schreibt gern einen Kommentar oder eine Nachricht auf Mastodon an @Kiki
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